Das Ding mit der Wut

Schreibabys machen uns wütend, ob wir wollen oder nicht.

Zu aller erst ist da die Erschöpfung.

Wenn man wie ich, von Geburt an ein Schreibaby hat, dann bleibt einem keine Zeit, sich von den Strapazen einer Entbindung zu erholen. Und wir alle wissen, eine Geburt ist ein Marathon. Zeig mir mal einen Marathonläufer, der sich nicht im Anschluss daran erholt! Ist jetzt nicht unbedingt mein Fachgebiet, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, wie jemand der gerade 42 km gelaufen ist, bei der Zielgeraden sagt, “ach komm, was soll’s ich häng nochmal 42 km dran.” Aber genau das, machen wir Frauen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Drei Tage wach? Ja, wieso auch nicht. Ich hab ja in der Schwangerschaft vorgeschlafen.

Ich lache laut

Zu lachen ist einem aber in diesen Momenten nicht zumute. Denn zur Erschöpfung gesellt sich ganz schnell die Ratlosigkeit. Was ist denn bloß mit meinem Baby los? Warum hört es denn nicht auf zu weinen? Was mache ich falsch? Wieso passiert das gerade uns? Ich drücke den roten Knopf an meinem Krankenhausbett, es ist mitten in der Nacht, eine Schwester erscheint. “Ich weiß nicht mehr weiter, bitte helfen sie mir.” Das waren meine Worte, drei Tage nach der Entbindung. Ich war erschöpft und ratlos. Die Schwester nahm meinen Sohn an sich und verschwand auf den Krankenhausflur. Stille.

Ich kann schlafen

In den frühen Morgenstunden brachte sie mir dann meinen Sohn zurück. Bald darauf wurden wir entlassen. Das Schreien blieb. Es folgen Besuche bei Kinderärzten, Osteophaten, Psychologen, Therapeuten, Energieheilern usw. Zu Erschöpfung und Ratlosigkeit gesellte sich die Frustration. Alles half nur ein bisschen, nichts half so wirklich. Was war denn bloß los? Es ist so unfassbar frustrierend, wenn man alles versucht hat. Die kleinsten Dinge waren für uns unmöglich. Einkaufen gehen, Autofahren, spazieren, das konnten wir zwar machen, aber es war immer mit Geschrei verbunden. Von schlafen brauche ich gar nicht anzufangen. Die meisten von euch wissen, das ist bis heute schwierig. Oft wenn es wieder ganz schlimm wurde und nichts half wurde ich auch traurig.

Ich weine mit

So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Nicht mal in meinem schlimmsten Alptraum hätte ich ahnen können, was auf uns zukommen würde. Immer tiefer rutscht man als Mama in die Gedankenspirale, je länger es andauerte. Und ganz unten an dieser Spirale aus Erschöpfung, Ratlosigkeit und Frustration da steht sie. Sie ist groß und rot und feurig. Sie ist hässlich anzusehen und angsteinflößend. Ganz unten befindet sich die Wut. Wut hat verschiedene Gesichter. Meine Wut ist besonders laut, besonders stark, besonders aufbrausend. Sie hat sich oft gezeigt, in den vergangenen 9 Monaten. Zu oft. Aber ich will mich dafür nicht verurteilen. Das wäre falsch. Ich will lernen der Wut anders zu begegnen. Wut zeigt uns unsere Grenzen auf, sie ist immer für uns und nicht gegen uns. Wenn wir die Wut nicht mehr als Monster betrachten, sondern als unser Beschützer, dann bekommt sie automatisch auch ein anderes Gesicht. Mein Sohn hat mir gezeigt, dass ich sehr viel unterdrückte Wut in mir trage. Wut die sehr wahrscheinlich schon sehr lange in mir lebt, aber nie gesehen wurde. Nur dann wenn wir als Mama lernen, richtig mit unserer Wut umzugehen, können wir diesen Umgang auch unseren Kinder vorleben.

Lasst uns mit gutem Beispiel vorangehen.

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Dein Baby schreit, weil du es nicht tust

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Wie viel Geschrei kann man eigentlich ertragen?